Denk es, o Seele: Schumann, Webern & Pfitzner
13 May 2018
Die gebräuchliche Besetzung der Gattung Lied ist Singstimme und Klavier, die Königsdisziplin der Kammermusik ist das Streichquartett. Diese beiden Gattungen zu einem poetischen Abend mit Lied und Kammermusik zu vereinen ist die Idee dieses Konzertprogramms.
Der im Jahr 2017 80 Jahre alt gewordene Komponist Aribert Reimann hat in den 1990-ern mehrere Klavierlieder von Schubert, Mendelssohn, Brahms, Liszt und Schumann für Singstimme und Streichquartett bearbeitet. Die zarten und eher unbekannten Sechs Gesänge op. 107 von Robert Schumann erklingen in diesem Programm in einer klanglichen Übersetzung des in Berlin lebenden Komponisten. Er verwendet in diesem Arrangement gelegentlich Streicherspieltechniken des 20. Jahrhunderts wie das Spielen am Steg, sehr häufige Flagolette und andere klangliche Verfremdungen. So war es naheliegend seine Bearbeitung mit Anton Weberns Bagatellen op. 9 aus dem Jahr 1913 zu kombinieren, die viele Kühnheiten der frühen Atonalität in kürzester Form verdichten. Arnold Schönberg, der Lehrer und Mentor Weberns, schrieb imVorwort der Partitur dazu: „Man bedenke, welche Enthaltsamkeit dazu gehört, sich so kurz zu fassen. Jeder Blick läßt sich zu einem Gedicht, jeder Seufzer zu einem Roman ausdehnen. Aber: einen Roman durch eine einzige Geste, ein Glück durch ein einziges Aufatmen auszudrücken: solche Konzentration findet sich nur, wo Wehleidigkeit in entsprechendem Maße fehlt. Diese Stücke wird nur verstehen, wer dem Glauben angehört, daß sich durch Töne etwas nur durch Töne Sagbares ausdrücken läßt.“
Sind die Bagatellen Weberns ein Meisterwerk der Verdichtung und Konzentration, so ist sein acht Jahre früher entstandener Langsamer Satz mit der Aufführungsdauer von etwa 10 Minunten nicht nur eines seiner längsten (!) Werke, sondern gleichzeitig auch ein Abgesang auf die Spätromantik: in blühendster Schönheit und noch unbeirrtem Festhalten an der Tonalität. Wenn man es nicht wüsste, würde man nicht den gleichen Komponisten vermuten.
Anders als Webern hielt Hans Pfitzner sein Leben lang am spätromantischen Stil fest, trotz mancher Kühnheiten im Einzelnen. Sein Liedschaffen ist dem Arrangeur Klaus Simon sehr nahe, da er als Liedbegleiter schon alle Lieder mit verschiedenen Sängern in der originalen Gestal teingespielt hat. Dabei entstand die Idee eine Auswahl davon für Streichquartettbegleitung zu arrangieren. Acht geeignete Einzellieder hat er dann als möglichen Zyklus unter dem Titel Denk es, o Seele zusammengestellt. Sie erklingen in diesem Konzertprogramm als Uraufführung.
Die vier Streicher der Holst-Sinfonietta feiern in diesem Programm ihr Konzertdebüt als Holst-Quartett. Wir freuen uns, die bekannte Sopranistin Siri Karoline Thornhill als Solistin für dieses Programm gewonnen zu haben.
Foto: Marco Borggreve