Treibhaus Wien: Mahler & Berg (arr. Simon)

Erster Termin
25 November 2014
Mahler 5 (arr. Simon) UA, Berg op. 5 (arr. Simon) EA Freiburg, Berg Passacaglia (arr. Simon) UA

Wien, 1913, am Vorabend des Ersten Weltkriegs. Es brodelt unter den Künstlern und Intellektuellen, als ahnte man die Katastrophe schon voraus. Schon seit einem guten Jahrzehnt gedeihen hier neue Ideen und umstürzende Konzepte wie in einem Treibhaus, von der Psychoanalyse über die Reformbewegung bis zum Expressionismus in Literatur, Bildender Kunst und Musik. Mittendrin Alban Berg, Schüler Schönbergs und Mitglied der Zweiten Wiener Schule. In seinen Werken dieser Jahre schreit und flüstert es, schwankt zwischen intimster Innerlichkeit und grellstem Ausdrucksbedürfnis. Seine Vier Stücke für Klarinette und Klavier op. 5 und die unvollendet gebliebene Passacaglia für Orchester stammen beide aus diesem bewegten Jahr und geben Zeugnis von der ganz eigenen Atmosphäre, die im Wien dieser Zeit geherrscht haben muss.

Zwei Jahre zuvor, 1911, war eines der wichtigsten Vorbilder Bergs verstorben: der von ihm hoch verehrte Gustav Mahler. In dessen Symphonien herrscht schon das gleiche unbedingte, alle Formen transzendierende Ausdrucksbedürfnis, das den Expressionismus in vielem vorausahnen lässt. Seine 5. Symphonie, entstanden zwischen 1901 und 1904, zählt wohl zu den beliebtesten Werken Mahlers, nicht zuletzt wegen des betörenden „Adagietto“, das Lucino Visconti in seinem Film „Tod in Venedig“ verwendete. Aber auch der einleitende Trauermarsch, das tänzerische Scherzo mit dem berühmten Hornsolo sowie das schmissige Finale machen dieses Werk zu einem Lieblingstück des Repertoires.

Mahler und Berg sollen an diesem Konzertabend also unsere Führer ins Treibhaus Wien sein. Damit nicht genug: Alle drei Werke erscheinen quasi in einem neuen Licht – nämlich als Kammerensemblefassungen aus der Feder Klaus Simons. So wird Mahlers Fünfte auf einmal durchsichtig, Bergs Klarinettenstücke erhalten instrumentale Farbe, und das Passacaglia-Fragment wird überhaupt erst zu neuem Leben erweckt. Es gibt also viel Neues zu entdecken an diesem Abend, auch im schon Bekannten...

Eine Konzertproduktion der Holst-Sinfonietta in Kooperation mit dem E-Werk Freiburg. Gefördert von: Kulturamt der Stadt Freiburg und Land Baden-Württemberg.

 
ProgrammAlban Berg (1885-1935)
Passacaglia-Fragment (1913)
Uraufführung der Bearbeitung für großes Kammerensemble von Klaus Simon (2013)
   
Vier Klarinettenstücke op. 5 (1913)
Freiburger Erstaufführung der Bearbeitung für Klarinette und großes Kammerensemble von Klaus Simon (2012)
 
Gustav Mahler (1860-1911)
Symphonie Nr. 5 cis-moll (1901-04)
Uraufführung der Bearbeitung für großes Kammerensemble von Klaus Simon (2013)

SolistJulien Laffaire Klarinette
LeitungKlaus Simon Dirigent

Holst-SinfoniettaFlorence Aoustet Flöte
Selen Schaper Oboe
Mariella Bachmann Klarinette
Annette Winker Fagott
Delphine Gauthier-Guiche Horn
Johannes Radeke Horn
Stephan Börsig Trompete
Ricardo Marini Perkussion
Justin Auer Perkussion
Julia Weissbarth Harfe
Jörg Reinhardt Akkordeon
Hans Fuhlbom Klavier
Sylvia Oelkrug Violine
Cornelius Bauer Violine
Tigran Hakhumyan Viola
Philipp Schiemenz Violoncello
Théotime Voisin Kontrabass

Critiques

Badische Zeitung

27. November 2014

In der ersten Fassung hatte Mahler die 1904 uraufgeführte Sinfonie geradezu überinstrumentiert; Simons verdichtete Version ist deshalb eine Studie zu den Möglichkeiten der Polyphonie. Ein Hohlspiegel auf das Groteske, Verzerrte, in dem Mahlers Kosmos aus den unterschiedlichsten musikalischen Stilrichtungen noch deutlicher wird. Der militärische Charakter der ersten Abteilung, der Trauermarsch, wird durch den kammermusikmalischen Klang zum Zerrbild eines "Kondukts". Mahler im Caféhaus? Das ist keine Verhöhnung, im Gegenteil: Wenn man bedenkt, dass das geistige Leben in diesem "Treibhaus Wien" (so der treffende Titel des Abends) zu einem nicht unerheblichen Teil dort stattfand, dann taucht Simons Variante am passenden Ort in diese Zeit ein. [...] Auch Simons Alban-Berg-Bearbeitungen fokussieren die Musik, machen das Abstrakte im Passacaglia-Fragment konkreter und besorgen in den Vier Stücken für Klarinette einen authentischen Kammerklang. Julien Laffaire spielt sie mit traumwandlerisch sicherem, lyrischem Zug, wie überhaupt die Sololeistungen an diesem Abend (Horn, erste Violine, Holzbläser) bemerkenswert sind.Alexander Dick

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