Vom Ende der Zeit: Messiaen & Regamey
17 May 2017
Es ist unglaublich, dass gerade in den in den dunkelsten Jahren der Menschheitsgeschichte in der Kunst unzählige Meisterwerke entstanden sind. Gefangenschaft, Verfolgung, Todesbedrohung und Bombenhagel haben dem menschlichen Geist nie so zusetzen können, als dass in diesen Zeiten die Kunst aufgehört hätte zu existieren oder die Kreativität erstickt worden wäre. Nein, oft waren die Schrecken der äußeren Umstände für die betroffenen Künstler vielmehr ein Stimulus, den Widrigkeiten zu trotzen und ihrem beschwerlichen Leben einen Sinn zu geben.
Der polnisch-schweizerische Komponist Constantin (polnisch: Konstanty) Regamey führte sein Quintett im Untergrund des belagerten Warschau 1944 zum ersten Mal auf. Das anwesende Publikum wusste, dass es soeben ein frühes Meisterwerk eines sehr originellen Komponisten gehört hatte, der in diesem Werk Unversöhnliches wie Schönbergs Dodekaphonie mit Tonalität bzw. Bitonalität vereinen konnte. Dieses originelle Werk ist immer noch ein Geheimtip der Kammermusik und fordert seinen Interpreten höchste Virtuosität ab. Niemand geringerer als Witold Lutosławski, der mit Regamey befreundet war und bei der Uraufführung anwesend war, berichtete von den Umständen dieser Zeit, die für die polnischen Komponisten eine sehr schwere war. Nur kurz nach der Uraufführung wurde Regamey von den deutschen Besatzern verhaftet und überlebte den Krieg nur durch den Umstand, dass er einen Schweizer Pass hatte und dorthin ausreisen konnte.
Über Olivier Messiaens Quatuor pour la fin du temps ist viel geschrieben worden. Es ist als eines der originellsten Kammermusikwerke des 20. Jahrhunderts anerkannt und wird entsprechend gerne aufgeführt. Messiaen kam schon früh als französischer Soldat in deutsche Gefangenschaft. Dabei lernte er drei Mitgefangene kennen, die professionelle Musiker waren. Dies erklärt den äußeren Umstand der eher ungewöhnlichen Besetzung dieses Werkes. In Freiheit hätte Messiaen dieses Stück so nicht komponiert, so absurd das klingen mag. Als Messiaen am klapprigen Klavier und seine Mitstreiter frierend und hungernd das Werk 1941 im Lager Görlitz vor sage und schreibe 400 französischen Kriegsgefangenen und deutschen Lageroffizieren uraufführten, muss das Werk bereits eine unglaublich intensive Wirkung erreicht haben. Messiaen schrieb später: „Das Publikum war eine äußerst vielfältige Mischung aus allen Gesellschaftsschichten: Landarbeiter, Hilfsarbeiter, Intellektuelle, Berufssoldaten, Ärzte und Geistliche. Nie wieder hat man mir mit solcher Aufmerksamkeit und solchem Verständnis zugehört wie damals.“
Die fünf Solisten der Holst-Sinfonietta widmen dieses Programm den Opfern des Zweiten Weltkrieges.
Eine Konzertproduktion der Holst-Sinfonietta in Kooperation mit dem Aula Konzerte Freiburg. Gefördert von: Kulturamt der Stadt Freiburg und Land Baden-Württemberg.